INVESTIGADORES
RUSCONI Maria cecilia
artículos
Título:
NIKOLAUS-BIBLIOTHEKEN. ZWEI FREUNDE VON ANNA REUTER UND IHRE BIBLIOTHEKEN
Autor/es:
CECILIA RUSCONI
Revista:
Coincidentia
Editorial:
Aschendorft Verlag
Referencias:
Lugar: Münster; Año: 2017 p. 245 - 252
ISSN:
1869-9782
Resumen:
Am 3.Dezember 1458 unterzeichnete Nikolaus von Kues die Stiftungsurkunde des St.Nikolaus Hospitals in Bernkastel-Kues. Das Hospital sollte ein Zufluchtsort für33 arme alte Männer über 50 Jahren aus der Diözese Trier werden,?von ehrlichem Rufe, Berufe, Lebenswandel undNamen, Niemandem Dienst- oder Schuldpflichtig, freien Standes, nichtverheiratet; wenn verheiratet, nur für den Fall, dass ihre Frauen ins Klostergehen, oder für ihren Lebensunterhalt der Hilfe ihrer Männer nicht bedürfen,oder so alt sind, dass nicht der Verdacht aufkommen kann, dass sie sich ihrerMänner entledigen wollen, und für den Fall, dass sie sich besser ohne ihreMänner durchbringen können.?[1]Dabeibesteht das Hospital bis heute aus Kapelle, Kreuzgang, Speisesaal und vielenWohnzellen. In dem  sechs Jahre später in Todi verfasstenTestament  bestimmte Nikolaus von Kues, dassdem Hospital auch seine persönliche Bibliothek zu übergeben sei. In diesemSinne schrieb der Notar von Nikolaus, Peter von Erkelenz, am 6. August 1464,dass alle Bücher aus dem Besitz des Kardinals nach Kues überführt werden sollen.Die Bücher, die ihm nicht gehörten, sollten nicht etwa verkauft, sondern an dierechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden. Im Testament bekräftigte Cusanusnochmals die Stiftung des Hospitals und bestimmte, dass seine Besitztümerdorthin gebracht werden sollten.[2]Wie Kenner der geistigen Welt des Cusanussagen, zeichnet sich die Bibliothek des Nikolaus von Kues ? zumindest zu diesemZeitpunkt ? durch  ihren gewissermaßen dynamischenCharakter aus. Die Codices der cusanischen Bibliothek reisten hin und her,wurden mit anderen Handschriften verglichen; sie wurden korrigiert, kommentiert und wiederum exzerpiert. Ein gutesBeispiel für diese Dynamik findet sich in Cod. Cus. 184, der die lateinischeÜbersetzung der Metaphysik des Aristoteles von Kardinal Bessarion aus dem Jahre1453 enthält. Um diese Abschrift mit dem Original vergleichen zu können, lieh Cusanusden Autographen der Übersetzung kurzfristig aus, um danach Cod. Cus. 184korrigieren zu lassen. Dementsprechend notiert Cusanus auf fol. 102v der Handschrift:?Istam translacionem fecit reverendissimusdominus cardinalis Nicenus que non posset esse melior, et feci corrigi librumex originali de manu eiusdem domini cardinalis 1453?[3] / ?Diese Übersetzung fertigte der verehrte Herr Kardinal von Nicea:sie könnte nicht besser sein. Und ich ließ dieses Buch nach 1453 nach demOriginal korrigieren, das von der Hand des Herrn Kardinals stammte.?Concetta Bianca, die einige Aufsätze derBibliothek des Cusanus gewidmet hat, teilt die Randbemerkungen des Nikolaus vonKues  in den Codices in drei Kategorienein: An erster Stelle nennt sie die Marginalien, die von Cusanus mit demTerminus ?nota? eingeführt werden: Sie heben einen für ihn besonders wichtigenSatz hervor und erläutern ihn kurz.  Zur zweiten Kategorie gehören Äußerungen, in denenCusanus eigene Gedankengänge entwirft oder allgemeine Fragen hervorhebt,während die dritte Kategorie lediglich Textkorrekturen enthält.[4]Aber nicht nur die Werke von Anderen werdenvon Cusanus in den Bänden seiner Bibliothek verbessert, sondern er ließ auchseine eigenen Werke von anderen Bearbeitern korrigieren. So enthält  zum Beispiel die Abschrift der CribatioAlcorani in Cod. Cus. 217 Korrekturen seines philologisch erfahrenen Sekretärs GiovanniAndrea Bussi, des späteren Bischofs von Aleria auf Corsica, der anscheinendsein Lieblingsschreiber war.[5]Die Sammlung der Kueser Bibliothek beinhaltetWerke zu verschiedensten Themen; nicht nur zu Philosophie und Theologie,sondern ebenso auch zu Zivil- und Kirchenrecht, Astronomie, Geographie,Mathematik, Geschichte, Grammatik, usw.[6]Dabei zeigt sich eine gewisse Vorliebe für alte Handschriften ?unter der Voraussetzung, dass sie nicht nur als Codices vetustissimi gelten, sondern auch die Codices optimidarstellen. Wie es für einen Mann priscarum litterarumeruditissimus typisch ist,[7] hat Nikolaus seine Bibliothek bei seiner Übersiedlung nach Rom mitgebracht.Sie muss schon damals sehr beeindruckend gewesen sein, obwohl die Codices, diespäter in Rom erworben wurden, noch fehlten. Ein Inventar seines Nachlasses,das am 9. November 1464 ? also drei Monate nach dem Tod des Cusanus ? inVicenza erstellt wurde, weist 167 Bände aus. Offensichtlich ist dieses Inventaraber unvollständig. Tatsächlich werden heute noch mehr als 300 Handschriften imSt. Nikolaus-Hospital aufbewahrt, von denen 270 Codices ? nach Jacob Marx inseinem 1905 fertiggestellten Verzeichnis der Handschriften-Sammlung desHospitals zu Cues bei Bernkastel ? noch aus dem Besitz des Cusanus stammensollen. Allerdings fanden nicht alle Handschriften aus der Bibliothek desKardinals ihren Weg an die Mosel. Manche Werke, die einstmals zur Bibliothek desNikolaus von Kues gehörten, sind im Hospital in Kues nie angekommen. Dazugehört Codex B 21 der Seminarbibliothek des bischöflichen Priesterseminars in Brixen,der einige alchimistische Werke enthält, die von Cusanus selbst mit vielenAnmerkungen versehen wurdenAllerdings hatten nicht alle  Handschriften, die nach Kues kamen, das Glückdort auf Dauer zu bleiben. Tatsächlich gingen der Bibliothek nach dem Tode des Kardinalsnicht wenige Bände verloren. Klaus Reinhardt wies auf eine unglücklicheAusleihe hin, die der damalige Rektor der Bibliothek, Adam Engers, im Jahre1532 genehmigte. Sie betrifft eine Handschrift mit dem pseudo-lullianischenTestamentum und dem Codicilllus von Ramon Llull.. Der Codex mit der Signatur UK XXIII D 132 (ehemals Cod. Lobkowitz 249),der bedeutende Marginalien des Cusanus enthält, gehörtheute der Universitätsbibliothek von Prag.[8]Zu den größten Verlusten kam es jedoch zu Beginndes 18. Jahrhunderts als Robert und Eward Harley eine große Anzahl wertvollerHandschriften zu einem geringen Preis aus dem St. Nikolaus-Hospital in Kueserwerben konnten. Die Mehrzahl der verkauften Handschriften gelangte in dieBibliotheca Harleiana, die heute Teil der Britisch Library in London ist.[9]Bereits 1983 verzeichnete Concetta Bianca inihrem Beitrag über die römische Bibliothek des Cusanus zahlreiche weitere Bändeaus dem ehemaligen Besitz des Kardinals. So finden sich noch 14 Handschriften,in der königlichen Bibliothek zu Brüssel, 48 in der Britisch Library, dann 3 weitereBände in der Bodleiana in Oxford, sowie je ein Band in der Nationalbibliothekzu Paris und in den Bibliotheken von Straßburg, Brixen und Volterra.[10]Immerhin haben andere, später erworbeneCodices ? allerdings zum größten Teil mit liturgischen Texten ? diese Verluste zumindestteilweise ausgeglichen. Gegenwärtig zählt die Kueser Bibliothek 316Handschriften sowie ca.  90 Inkunabelbändemit über 100 einzelnen Wiegendrucken, von denen tatsächlich nur zwei aus derLebenszeit des Cusanus stammen.[11]Soweit kurz zu einigen Aspekten der Bibliothekdes Nikolaus von Kues. Diese Bibliothek steht für mich aber unwillkürlich miteiner zweiten Bibliothek in engster Verbindung: Sie gehörte nicht dem Nikolaus,der in Kues an der Mosel geboren wurde, sondern einem anderen ?Nikolaus? odervielmehr Klaus ? handelt es sich dabei doch um eine Kurzform des Namens?Nikolaus?, wie dieser selbst mir bei einem Ausflug nach Colmar erklärte ? derin der kleinen Stadt Haslach im Kinzigtal (Schwarzwald), rund 40 Kilometer vonFreiburg im Breisgau entfernt, geboren wurde. Auch diesem ?Nikolaus? und seinerBibliothek, also meinem Lehrer und Freund Klaus Reinhardt und seinen Büchern,möchte ich einige Zeilen widmen.Klaus Reinhardt(1935-2014) war einer der herausragendsten Vertreter der philosophischenMediävistik der letzten Jahrzehnte. Er studierte von 1953 bis 1957 katholischeTheologie und Philosophie anden Universitäten Freiburg im Breisgau und München. Am 18. Mai 1958 erhielt erin Freiburg die Priesterweihe. In Freiburg wurde er 1963 mit einerDissertation: Pedro Luis SJ (1538-1602) und sein Verständnis der Kontingnez,Praescienz und Prädestination. Ein Beitrag zurFrühgeschichte des Molinismus (Münster 1965) zumDoktor der Theologie promoviert. Zwischen 1963 und 1969 war er Assistent amLehrstuhl für dogmatische Theologie bei Friedrich Stegmüller, wo er sich 1968mit der Arbeit Der dogmatische Schriftgebrauch in der katholischen undprotestantischen Christologie von der Aufklärung bis zur Gegenwart(Paderborn 1970)  habilitierte. Am 1.April 1969 wurde er ordentlicher Professor für dogmatische Theologie an der UniversitätTrier, wo er bis 2003 lehrte.Die ersten Jahre seiner akademischen Karrierewidmete Klaus Reinhardt der Erfassung der kodikologischen Grundlage derBibel-Geschichte. Unter seinen zahlreichen Beiträgen ist besonders seineMitarbeit (ab 1968) am Repertoriumbiblicum Medii Aevi von Friedrich Stegmüller und die Herausgabe der letztenvier Bände (VIII?XI) hervorzuheben. Ähnlich verdienstvoll war dieZusammenarbeit mit Santiago-Otero an den Verzeichnissen der Bibliotecabíblica ibérica medieval (1976-1999) sowie das Mitwirken am Katalog derbiblischen Codices der Kathedrale von Toledo, den er 1990 zusammen mit RamónGonzálvez Ruiz veröffentlichte. Aufgrund dieser außerordentlichen Leistungwurde Klaus Reinhardt zum Ehrenmitglied der Königlichen Akademie von Toledo undder Portugiesischen Akademie der Wissenschaften ernannt.Mitte der 80iger Jahre wandte sich KlausReinhardt dem Werk unseres ersten Nikolaus zu, dem Werk des Nikolaus von Kues.1990 wurde er in den Wissenschaftlichen Beirat der Cusanus-Gesellschaftaufgenommen. Am 15. April 1993 übernahm er zusammen mit dem Philosophen KlausKremer die Leitung des Instituts für Cusanus-Forschung, das vom 1. Juli 2000bis zum 31. März 2007 von ihm alleine geleitet wurde. Zwischen 1993 und 2004leitete er darüber hinaus die Trierer Arbeitsstelle der Heidelberger Akademieder Wissenschaften für die textkritische Edition der Predigten des Nikolaus vonKues.Sein Beitrag zur philosophischen Mediävistikbeschränkte sich allerdings nicht nur auf die eigene Forschungen, vielmehr hatKlaus Reinhardt auch junge Forscher akademisch gefördert und auch finanziellunterstützt. Die von Satoshi Oide und ihm zur finanziellen Unterstützung desInstituts für Cusanus Forschung gegründete Satoshi-Oide Stiftung, der er immerwieder neue Impulse gab, wurde von ihm lange Jahre geleitet. Dabei hat er abernicht nur deutsche Institutionen unterstützt. So leitete er u. a. dieKooperation des Instituts für Cusanusforschung mit der Équipe de recherche surles mystiques rhénans unter der Leitung von Marie-Anne Vannier an derUniversität Metz ein. Darüber hinaus soll an dieser Stelle auch ganz besondersan das Zusammenwirken mit dem Circulo de Estudios Cusanus in Buenos Aireserinnert werden, wodurch ? und hierauf soll dankbar hingewiesen werden ? ichselbst die Ehre hatte, die beiden Nikoläuse kennenzulernen.Im Zuge seiner Arbeiten hatte Klaus Reinhardteine großartige Privatbibliothek aufgebaut, die insgesamt 5.975 Bände aufweist.Als Beispiel sei hier nur die vollständige Reihe des Corpus Christianorumgenannt, d. h. die Sammlung der christlichen Literatur von der Spätantike bisEnde des Mittelalters, bestehend aus der 200-bändigen  Serie Latina (CCSL) und den 316 Bänden derContinuatio Mediaevalis (CCCM), die die Werke der christlichen Autoren von der karolingischenPeriode bis zum Ende des Mittelalters enthält. Zu dieser letzten Serie hatKlaus Reinhardt gegen Ende seines Lebens mit der kritischen Edition desIsaias-Kommentars von Andreas von St. Viktor selbst beigetragen.Am 8. April 2914 ist Klaus Reinhardt in seinergeliebten Stadt Trier gestorben. In seinem Testament hat er mir seine gesamtewissenschaftliche Bibliothek vererbt sowie seine eigenen wissenschaftlichenArbeiten, gesammelt in 292 Mappen, die verschiedenste Dokumente und Notizenenthalten. Durch diese Großzügigkeit entfaltet sich nun das geistige Bemühenvon Klaus Reinhardt jenseits seines eigenen Lebens. Dabei stellt im Besonderen seineexquisite Bibliothek ein wertvolles Instrument zur Erforschung der Geistesgeschichtedes Mittelalters in Argentinien dar.Mit der Unterstützung des DeutschenAkademischen Austauschdienstes e.V. (DAAD), der die Überführungskosten bezuschusste,und des Nationalen Rats für wissenschaftliche und technologische Forschung(CONICET), der die Zollabferti­gungskosten übernahm, ist die Bibliothek imFebruar 2016 in Buenos Aires angekommen. Seitdem bildet die Sammlung  von Klaus Reinhardt den wichtigsten Teil derBibliothek des multidisziplinären Instituts für Geschichte undHumanwissenschaften (IMHICIHU), wo sie allen Nutzern zur Verfügung steht. Wieder Bibliothek des Cusanus, war auch der Bibliothek von Klaus Reinhardt einelange Reise bestimmt. Die erste Bibliothek hatte diese Reise über die Alpengenommen, während nun die Bibliothek des zweiten Nikolauses über den Atlantiktransportiert wurdeBeide Bibliotheken sind aber auch mit demGeburtshaus des Nikolaus von Kues verbunden, und zwardurch dessen langjährige Kustodin,Anna Reuter, einer Freundin beider Bibliotheksherren, des Nikolaus von derMosel und des Nikolaus aus dem Schwarzwald, der über den Gelehrten von derMosel nachdachte. [1] Marx: Geschichte des Armen-Hospitals, 55 u.ff.[2] Uebinger: Zur Lebensgeschichte desNikolaus Cusanus, 555. Marx: Geschichte des Armen-Hospitals, 250; Vgl. Neusius:Das Testament des Nikolaus von Kues.[3] Marx:  Geschichte des Armen-Hospitals, 172.[4] Bianca: Niccolo Cusano e la suaBiblioteca, 9.[5] Marx: Geschichte des Armen-Hospitals,212; Bianca: La Biblioteca Romana, 698. [6] Vansteenberghe: Le Cardinal Nicolas deCues, Kap. X.; Rotta: La biblioteca del Cusano.[7] Aeneas Sylvius Piccolominus: De gestisconcilii Basiliensis Commentariorum libri II. D. Hay ? W. K. Smith (eds.).Oxford 1967, 14.[8] Vgl. Reinhardt: Die Lullus-Handschriften.[9] Hallauer: Habent sua fata libelli.[10] Bianca: La Biblioteca Romana, 678.[11] Brösch:Nachleben und Erbe, 126?128.