INVESTIGADORES
RUSCONI Maria Cecilia
capítulos de libros
Título:
Intellectu qui est disciplina? Disciplina bei Nikolaus von Kues und Thierry von Chartres
Autor/es:
MARÍA CECILIA RUSCONI
Libro:
Eriugena-Cusanus. Catholica Universitas Lublinensis Ioannis PauliII. Colloquia Medieaevalia Lublinensia
Editorial:
Wydawnictwo Kul
Referencias:
Lugar: Lublin; Año: 2011; p. 265 - 276
Resumen:
Im VII. Kapitel von ?De mente (1450) beschreibt Nikolaus von Kues die menschliche Erkenntnis als einen Prozess der Zusammenfassung und Einteilung. Mittels dieses Prozesses ?gleicht sich der Geist (dem Erkannten) an?, d.h. er wird dem Erkannten ähnlich. Cusanus nach muss man die Angleichung auf zwei verschiedene Weisen verstehen, und zwar: (I) gemäß dem im Leib bestehenden Geist -in diesem Fall wird dieser von seiner Aufgabe her Seele genannt? oder (II)  gemäß dem in sich bestehenden Geist ?mens in se subsistens?. Diese Zweiteilung des Angleichungsprozesses schafft Raum für drei Erkenntnisebenen. Schließlich sind diese drei Ebenen mit vier Weisen des Seins verbunden, nämlich: die absolute Notwendigkeit, die bestimmte Notwendigkeit oder Notwendigkeit der Verknüpfung, die bestimmte Möglichkeit und die absolute Möglichkeit. Diese Termini  bezeichnen das, was als die Lehre der modi essendi bekannt ist. Es fehlt uns ein empirischer Beweis dafür, wie Cusanus zu dieser Lehre Zugang haben konnte. Jedoch stellen die Kommentare des Thierry von Chartres zu ?De trinitate? des Boethius ihre früheste bekannte Quelle dar. Die erste der drei Ebenen (I.1) entspricht der Erkenntnis, die dem Geist als Seele gelingt, d.h. die empirische Erkenntnis. Cusanus bringt sie mit zwei der modi essendi in Zusammenhang, und zwar: der bestimmten und der absoluten Möglichkeit. Die zweite und die dritte Ebene entsprechen der Erkenntnis des in sich bestehenden Geistes d.h. der reinen Erkenntnis. Die sind: (II. 1) Die Erkenntnis, die der Geist erlangt, indem er auf seine Unwandelbarkeit blickt, die Notwendigkeit der Verknüpfung genannt wird, und schließlich (II.2) die einsichthafte Erkenntnis, die der Geist erlangt, wenn er auf seine Einfachheit blickt, das heißt darauf, dass er der Materie nicht mitgeteilt werden kann. Diese Erkenntnisweise entspricht dem ersten modus, der absoluten Notwendigkeit. Der Geist hat Zugang zu allen modi durch eine bestimmte Erkenntnisfähigkeit. Nikolaus definiert relativ deutlich  die Fähigkeiten, die sich mit der niedrigsten (I.1) und der höchsten (II.2)  Ebene beschäftigen. Es bleibt aber gleichzeitig nicht klar, welche Fähigkeit zu der Notwendigkeit der Verknüpfung (II.1) in Beziehung steht. In der Tat findet die empirische Erkenntnis nach Cusanus mittels des Leibes statt und zwar durch den ?Arteriengeist?. Sie ist deshalb Aufgabe der Wahrnehmung, der Vorstellungskraft und des Verstandes. Obwohl weniger deutlich, kann man ebenso verstehen, dass die einfache Erkenntnis mittels der Einsicht statt findet, d.h. durch den Geist indem er einfach ist. Über die reine Erkenntnis, die der Geist in der necessitas complexionis erlangt, liest man aber nur, dass die entsprechende Fähigkeit ?die wissenschaftliche Erziehung und die Gelehrsamkeit? ?disciplina oder doctrina? ist. Mit den Worten des Cusanus: ?[...] ich glaube aber, dass jene Kraft passend Wissenschaftlichkeit ?disciplina? genannt werden kann, durch die der Geist, indem er auf seine Unwandelbarkeit blickt, die Formen der Dinge ausserhalb der Materie betrachtet, deshalb, weil man durch Wissenschaftlichkeit ?disciplina? und Gelehrsamkeit ?doctrina? zu dieser Betrachtung der Form gelangt?.  Danach greift der Philosoph mit der folgenden Frage ein: ?Ich habe gelesen, dass von einigen die Kraft, die du Gelehrsamkeit ?doctrina? nennst, Einsicht ?intelligentia? und jene, die du Einsicht nennst, von ihnen Vernünftigkeit ?intellectibilitas? genannt wird?. Der Laie antwortet: ?Es mißfällt mir nicht, denn auch so können sie passend bezeichnet werden?.  Offenbar passt die Bedeutung, die den Termini wissenschaftliche Erziehung und Gelehrsamkeit heuzutage zugeschrieben werden könnte, in diesem Kontext nicht ganz genau. Vielmehr würde man sagen, dass disciplina oder doctrina eine der ratio überlegene  und der Intelligentia oder intellectibilitas untergebene Fähigkeit sein soll. In der Tat übernimmt die disciplina oder doctrina die Bedeutung von intelligentia ?also doch die Bezeichnung einer Fähigkeit?, wenn  die intelligentia ?von einigen? intellectibilitas genannt wird. Man darf also verstehen, dass es schon ?einige? ?aliqui? gab, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Vielleicht ist es der Grund, weshalb Nikolaus es nicht genauer erklärt. Wer sind aber diese aliqui, die vor Cusanus disciplina als eine Erkenntniskraft  verstanden haben? Im Folgenden werde ich einen Schlüssel zu einer Interpretation des Terminus disciplina in diesem Kontext anbieten. Dazu werde ich auf einige wichtige Verwendungen des Terminus in der Zeit vor Cusanus anspielen. Diese Hinweise sollen zeigen, dass disciplina (1) sowohl als Wissensgebiet wie auch (2) als Erkenntnisvermögen verstanden werden kann. Diese Doppeldeutigkeit soll als Leitfaden dazu dienen, den Zusammenhang zwischen disciplina und necessitas complexionis zu begreifen.