INVESTIGADORES
SCHORR Martin
congresos y reuniones científicas
Título:
Die argentinische Auslandsverschuldung: Überlegungen zur Umstrukturierung und Tragfähigkeit der Schulden
Autor/es:
KULFAS, MATÍAS Y SCHORR, MARTÍN
Lugar:
Berlín, Alemania
Reunión:
Congreso; Congreso Internacional Argentinien: Schritte zur Überwindung der Schuldenkrise (Argentina: pasos para superar la crisis de la deuda); 2004
Institución organizadora:
Misereor y erlassjahr.de
Resumen:
Der gegenwärtige argentinische Kapitalismus erfuhr während der letzten Mili­tärdiktatur (1976-1983) eine fundamentale Umstrukturierung in den Grundlagen der Kapitalverwertung und der Einkommensverteilung. Die Wirtschaftsreformen in den neunziger Jahren konsolidierten und verschärften die wesentlichen Züge der erwähnten Umstrukturierung. In diesem Kontext begann die Auslandsverschuldung eine Haupt­rolle zu spielen, nicht nur als Folge von Veränderungen auf internationaler Ebene („Globalisierung von Finanzmärkten”, Beschleunigung der internationalen Kapital­ströme), sondern auch (und nicht weniger wichtig), weil die Auslandsschulden – vor allem die des öffentlichen Sektors – als das Element fungierten, das den einheimischen herrschenden Eliten die Finanzverwertung ermöglichte.   Die Entwicklung der Auslandsverschuldung während der neunziger Jahre – und weiter gefasst während des Konvertibilitätsregimes (plan de convertibilidad) – kann in drei Phasen unterteilt werden. Die erste von ihnen (1990-1993) stimmt überein mit der Implementierung der Strukturreformen neoliberaler Prägung und dem Inkrafttreten des Konvertibilitätsregimes (April 1991). In diesem Zeitraum nahm die Neuverhandlung der Auslandsschulden eine zentrale Stelle ein, weil Argentinien seit 1988 seine Schulden­rückzahlungen eingestellt hatte. Die Strategie der argentinischen Regierung bei der Neuverhandlung basierte auf drei Säulen: a) der Privatisierung der staatlichen Unter­nehmen durch eine Kapitalisierung der Schulden; b) der Wiederaufnahme der Schulden­rückzahlungen ans Ausland in Teilbeträgen als eine „Geste des guten Willens“; c) der Aufnahme der Verhandlungen mit dem Ziel einer vollständigen Umstrukturierung der Auslandsschulden im Rahmen des Brady-Plans.   Ausgehend von diesen Grundzügen stellte Argentinien seine Zahlungsfähigkeit gegenüber dem Ausland gegen Ende des Jahres 1992 wieder her, als das Brady- Ab­kommen paraphiert wurde. Die Kapitalisierung der Schulden brachte die Privatisierung einiger staatlicher Unternehmen mit sich, wobei argentinische Schuldtitel als Zah­lungsmittel angenommen wurden (Beispiel hierfür sind u.a. die Privatisierung der Tele­fon- und Fluggesellschaften). Die Einbeziehung Argentiniens in den Brady-Plan führte zur Umwandlung der in den achtziger Jahren ausgegebenen Schuldtitel in neue Bonds, die parallel zu dem Erwerb von Bürgschaften des IWF und anderer internationaler Or­ganisationen Kapital- und Zinserleichterungen bewirkten. Zusammenfassend ist festzu­stellen, dass Argentinien die Möglichkeit erhielt, seine Netto-Auslandsverschuldung um knapp 50% zu reduzieren[1] um den Preis der Veräußerung öffentlicher Unternehmen zu einem Betrag, der sich, wie in verschiedenen Arbeiten nachgewiesen wurde, als erheb­lich unterbewertet erwies und mittels der Durchführung einer Schuldenumwandlung.   Nach diesem Prozess der Umstrukturierung, der als „die endgültige Lösung des Schuldenproblems“ dargestellt wurde, begann eine zweite Phase (1994-1999) der Rückkehr zu den internationalen Kapitalmärkten und der explosionsartigen Zunahme der Auslandsverschuldung. Zwischen 1993 und 1999 verdoppelte sich praktisch der Stock der öffentlichen Schulden von 63,7 Mrd. Dollar auf 121,9 Mrd. Dollar. In diesem Zeitraum wurde das Gros der Anleihen auf den internationalen Märkten platziert. Auch die Brady-Bonds, die – wie bereits erwähnt – Zinsreduzierungen enthielten und verbürgt waren, wurden allmählich in andere Bonds mit höheren Zinssätzen und längeren Lauf­zeiten sowie freien Bürgschaften umgetauscht, was zu einer Verschlechterung der Zah­lungsfähigkeit und einer Steigerung der Auslandsverschuldung – sowohl brutto als auch netto – führte.   Am Ende dieser Dekade setzte eine dritte Phase (2000-2001) ein, die durch eine Ver­schlechterung der finanzwirtschaftlichen Indikatoren und des Länderrisikos gekenn­zeichnet war. Dies führte für Argentinien zu einem allmählichen Verschließen des Kre­ditmarktes und zu wiederholten Versuchen, mit der Unterstützung des IWF und anderer internationaler Finanzinstitutionen ein Default zu vermeiden. In diesem Zeitraum gab es drei Versuche, die Verbindlichkeiten umzuschulden. Der erste war der Ende des Jahres 2000 vereinbarte so genannte Blindaje (Stabilisierung der einheimischen Währung), der aus einem Finanzpaket von insgesamt 39,7 Mrd. Dollar bestand, das von den folgenden Institutionen zwischen 2001 und 2002 ausgezahlt wurde: IWF (13,7 Mrd. Dollar), Inter­amerikanische Entwicklungsbank (IDB) (2,5 Mrd. Dollar), Weltbank (2,5 Mrd. Dollar), spanische Regierung (1 Mrd. Dollar), Privatbanken (10 Mrd. Dollar), institutionelle Anleger (3 Mrd. Dollar), Umtausch bestehender Schulden (7 Mrd. Dollar). Angesichts der Unzulänglichkeit dieses Rettungspakets, die sich durch neue Fälligkeiten ergab, führte man den Mega-Canje (große Schuldenumwandlung) durch. Durch den Mega-Canje wurden mehrere Bonds auf freiwilliger Basis in neue Bonds mit längeren Zah­lungsfristen und wesentlich höheren Zinsen umgetauscht. Schließlich beschloss die Re­gierung angesichts des Scheiterns des erwähnten Mega-Canje im November desselben Jahres einen neuen, dieses Mal nicht ganz freiwilligen, Umtausch von Schuldtiteln in verbürgte Anleihen (Préstamos Garantizados) mit wesentlich geringeren Zinsen. Die­ser Umtausch sollte in zwei Schritten erfolgen: in einem ersten Schritt für inländische Gläubiger und in einem zweiten für Inhaber internationaler Bonds. Dieses Ereignis wurde von einigen Rating-Agenturen als die formelle Erklärung des Default verstanden und als Bekenntnis der Unfähigkeit der argentinischen Regierung, ihren Verpflichtun­gen nachzukommen.  Kurze Zeit nach Abschluss der ersten Phase des Umtauschs zwang ein erneuter Abfluss von Bankeinlagen (der dritte des Jahres) die Regierung dazu, mit Einführung des so genannten „Corralito Financiero“[2] Maßnahmen zu ergreifen, um den Ressour­cenabfluss zu bremsen. Diese Maßnahme verschärfte bekanntermaßen die wirtschaftli­che und soziale Krise und führte zu dem sozialen Ausbruch des 19. und 20. Dezembers 2001, der in dem Sturz der Regierung von Fernando De la Rúa gipfelte. Einige Tage später verkündete der Interims-Präsident Adolfo Rodríguez Saá formell die Einstellung der Schuldenzahlungen[3] und nach einigen Wochen erließ der Kongress ein Gesetz, wel­ches das Konvertibilitätsregime beendete.