IDH   23901
INSTITUTO DE HUMANIDADES
Unidad Ejecutora - UE
congresos y reuniones científicas
Título:
Die Leistung der Unfähigkeit. Überlegungen zur Rolle des Widerspruches beim frühen Schlegel
Autor/es:
GALFIONE, MARÍA VERÓNICA
Reunión:
Workshop; ?Wie theoriefähig ist die Frühromantik heute??; 2019
Resumen:
Die Entstehung des Ästhetischen ist mit der Entwicklung einer neuen Gestalt der Subjektivität tief verflochten. Es handelt sich dabei um eine Konzeption der Subjektivität, die dem Ich den Anspruch zuschreibt, seinem eigenen Gesetz zu folgen, statt von außen beherrscht zu werden. Diese Idee, die spätestens Kant und vielleicht schon Rousseau eingeführt hat, macht das Wesen der neuzeitlichen Idee der Autonomie aus. ?Frei ist ein Mensch nach dieser Idee, der keinen Gesetzen untersteht, die ihm von anderen vorgegeben sind, sondern nur solchen, die er sich selbst gegeben hat (oder doch gegeben haben könnte).? So selbstverständlich diese Auffassung der Freiheit klingen mag, so groß sind aber die Probleme, die entstehen, wenn man versucht, sich klar zu machen, wie die Einsetzung eines Gesetzes der Freiheit überhaupt möglich ist. Denn ist diese ein ?Akt des Gehorsams gegenüber einem nicht selbstgegebenen Gesetz?, dann ist sie nicht frei, und wenn die Einsetzung des Gesetzes ein Akt freier Willkür ist, dann ist sie gesetzlos. ?Beides sind Formen der Heteronomie: die äußere Heteronomie auferlegter Gesetze oder die innere Heteronomie bloß willkürlicher Entscheidungen.? Dennoch betreffen die Probleme der modernen Idee der Freiheit nicht nur ihre Begründung, sondern auch das sich mit der Autonomie etablierende Unterwerfungsverhältnis zwischen dem Gesetz und der Instanz, das sich an dieses halten muss. Denn diese Unterdrückungsbeziehung findet nicht zwischen zwei schon vorab bestehenden Instanzen statt, sondern zwischen zwei Polen, die durch das Verhältnis selbst hervorgebracht werden. Das heißt, durch dieses Verhältnis konstituiert sich der Mensch als ein Subjekt, das sich selbst unterdrücken kann, und das unregelmäßige und amorphe Feld, das es zu unterdrücken gilt. In dieser Hinsicht erfordert die autonome Auffassung der Freiheit nicht die bloße Verdrängung schon bestehender Begierde. Sie setzt vielmehr die Transformation der Sphäre der Sinnlichkeit in das Feld anomaler Bewegungen voraus, das dann von einem wechselseitig entstehenden Subjekt reguliert werden muss. Das hat nicht unbedingt eine negative Bedeutung, weil die subjektive Freiheit mit der Fähigkeit, etwas zu können, verbunden ist, und weil die Abschaffung der ontologischen Ordnung, die die Selbstskonstitution der Subjektivität mit sich bringt, einen bisher unbekannten Spielraum eröffnet. Das heißt auch: Ohne die Möglichkeit, einer Regel zu folgen, gäbe es gar keine Möglichkeit, eine Praxis auszuüben, die gelingen könnte. Aber die entsprechenden Fähigkeiten können nur erworben werden, indem das Subjekt in sich selbst eine Grenzlinie zwischen dem zieht, was es eigentlich ist und was seinem Wesen nicht substanziell zugehört. Das Nicht-Subjektive entsteht dadurch als ein offener, nicht abgesteckter Raum, der aber zugleich ausgeschlossen werden muss, damit das Subjekt entsteht. Das verstrickt die Subjektivität nicht nur in Widersprüche, sondern hat auch ein dauerndes Leidenmüssen des Individuums zur Folge. Die Abgrenzung des Nicht-Subjektiven im Subjekt quält die Subjektivität in einer sehr merkwürdigen Weise, weil das Abscheiden seiner selbst die Voraussetzung seines eigenen Bestandes ist. In diesem Sinne kann man in Anschluss an Foucault schließen, dass der Prozess der Subjektivierung einer der Normalisierung ist, dessen Wesen darin besteht, das Individuum in eine Instanz zu transformieren, die eine Grenzlinie zwischen dem Ich und dem Nicht-Ich immer wieder und immer tiefer in sich selbst ziehen muss. Wenn man sich diese Widersprüche vor Augen führt, wird ziemlich klar, warum die Ästhetik als Disziplin und das Ästhetische als Probleme Mitte des 18. Jahrhunderts entstehen. Als nicht entfernbare Bedrohung und unerfüllbares Versprechen wird das Ästhetische als der einzige sichtbare Rückstand dessen gelten, was ausgeschlossen wurde, damit das Individuum eine subjektive Gestalt annehmen konnte. In diesem Zusammenhang wird die Ästhetik die Aufgabe übernehmen, mit einer Masse von unbestimmten Kräften umzugehen. Als nicht-substantielle Reflexion über das Schöne sei sie in der Lage, entweder Platz für das freie Spiel der ästhetischen Kräfte einzuräumen oder die Befreiung der Sinnlichkeit von den tradierten Regeln und Mustern dafür zu benutzen, den subjektivierenden Prozess noch tiefer in das Individuum eindringen zu lassen.Wie Christoph Menke ausführlich gezeigt hat, spalten sich die ersten modernen ästhetischen Perspektiven zwischen diesen gegensätzlichen Programmen auf. Einige instrumentalisieren die ästhetische Suspendierung der ontologischen Bestimmungen, um die Lücke zwischen dem Menschen und dem Subjekt zu schließen, die der disziplinierende Prozess offen gelassen hat, während andere im unendlichen ästhetischen Schwanken ein Indiz der Kontingenz der Gründe jeglicher etablierten Ordnung erkennen wollen. Menke bestimmt diese Perspektiven anhand der Begriffe von ?Kraft? und ?Vermögen?. In seiner Genealogie der modernen Ästhetik ist ?das Vermögen? diejenige besondere Gestalt der Macht die das Subjekt als Teilnehmer normativer, sozialer Praktiken definiert?, während ?(d)ie Kraft hingegen? (auf) die Macht des Wirkens (verweist), die sich als Spiel entfaltet.? In diesem Zusammenhang beharren die zuerst genannten ersten ästhetischen Perspektiven, die man als Ästhetik des Schönen bezeichnen könnte, auf der Spontaneität der Konkordanz zwischen den Kräften. Die anderen dagegen, die dem Erhabenen näherstehen, verweisen darauf, dass diese Konkordanz nur durch externe Gewalt zustande kommen kann. Denn das freie Spiel der Kräfte sei eine regel- und maßlose Vollzugsweise, ?die etwas als ihren Ausdruck hervorbringt und im selben Zug auflöst.? Es ist klar, dass Menke die Kraft nicht als etwas versteht, das dem Subjektivierungsprozess schon vorgegeben wäre, so dass man daraus eine neue prima philosophia erschließen könnte. Indem er sich aber primär auf Herder bezieht, um den Ursprung der modernen Auffassung der Ästhetik zu erklären, gelingt es ihm nicht immer, die ontologischen Untertöne des Kraftbegriffs zu vermeiden. Daher wird hier vorgeschlagen dieser Gefahr dadurch zu entgehen, dass als Bezugspunkt Friedrich Schlegel gewählt wird. Das möchte ich im Folgenden in vier Schritten zeigen. Zunächst rekonstruiere ich die Kritik, die schon Schlegel an Herders ontologischer Auffassung der Natur als Kraft geübt hat. Danach versuche ich zu erklären, warum Schlegel Fichtes Programm, den Überschuss des Ich in das Bewusstsein zu integrieren, für unangemessen hält. Drittens erkläre ich anhand der Unterscheidung zwischen dem Klassischen und dem Progressiven Schlegels Auffassung der Freiheit. Am Ende stelle ich einige Überlegungen zur Aktualität von Schlegels Begriff der Subjektivität in einen Zusammenhang, in dem die Selbstreflexivität der modernen Subjektivität mit dem Risiko verbunden ist, in der Figur einer ständigen Selbstbildung stillgestellt zu werden.